Zuhause ist es doch am schönsten – Grönemeyer im Ruhrstadion

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Es gibt sie, diese magischen Momente. Diese Momente wie im Rausch, in denen alle Probleme planetenweit entfernt erscheinen. Sie sind häufig kurz und flüchtig, nicht greifbar, zerrinnen zwischen den Finger. Aber die Erinnerung manifestiert sich in Herz, Bauch und Hirn. Nein, ich rede hier nicht von bombastischem Sex. Ich rede von einer züchtig angezogenen Nacht in Bochum, dieser krisengebeutelten und verbauten Stadt, die dennoch über die deutschen Landesgrenzen bekannt ist.

Verantwortlich für die Bekanntheit ist unter anderem ihr derzeit berühmtester Sohn (Sorry, Herr Lammert), der schon lange von Zuhause ausgezogen ist. Er hat in Berlin und London sein Glück gefunden. Böse Stimmen werfen ihm vor, dass seine Verbundenheit zu Bochum nicht real sein könne, wenn er nicht mehr dort wohne. Dass solche Vorwürfe „Bullshit“ sind und jeglicher Grundlage entbehren, konnten am Wochenende Zehntausende im Ruhrstadion spüren. Herbert war zuhause. Und er hat sich gefreut wie Bolle, wollte gar nicht mehr aufhören zu spielen. Auch er konnte nicht genug bekommen, von magischen Momenten.

Es war mein erstes Grönemeyer-Konzert in Bochum, somit ging ein Traum in Erfüllung, der mich seit 15 Jahren begleitet. In Bayern, in Hessen, im Rheinland, in Dortmund und auf Schalke; überall habe ich schon seine Konzerte besucht, jedoch noch nie in seiner Heimatstadt.  Aber, dass es ein so unfassbarer Abend werden sollte, hätte ich in eben diesen kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt. Mit der Hymne „Unter Tage“, über den Zusammenhalt im Ruhrpott, eröffnete Herbert gemeinsam mit seiner kongenialen Band einen Abend, dem auch das schlechte Wetter nichts von seinem Zauber nehmen konnte.

Mit einem dicken Solidaritätsgruß an die (Ex-)Opelaner, die zu diesem Konzert eingeladen waren, führte Herbert den ersten Teil des Abends mit vier weiteren Liedern seiner neuen Platte fort. „Fang mich an“ wird mit jedem Hören schöner und ist auch im Stadion tanzbar. Die Masse war zwar in diesen ersten Minuten nur bedingt textsicher, das sollte sich aber ändern, als die Sängerinnen und Sänger des Musikvereins „Glück auf“ aus Ibbenbühren das Steigerlied anstimmten und Grönemeyer und Stadion aus voller Kehle mitsangen. Gänsehaut im Übermaß! Dem folgte zum ersten Mal an diesem Abend Bochum. Dieser Song, der der Stand ein Denkmal gesetzt hat.

Danach gab es kein Halten mehr! Das Stadion hat den Sänger, der sich zwischendurch ständig ironisch um seine Friseur sorgte und seinen Ausdruckstanz bewundert haben wollte, auf Händen getragen und ihm die Zeilen seiner Lieder mit einer solchen Wucht und Hingabe entgegengesungen, dass es für den 59-jährigen augenscheinlich eine wahre Wonne war. Flugzeuge im Bauch in einer reduzierten, gejazzten Version, begleitet von einem Chor aus 30.000 Seelen, die alle schon einmal ihr Herz zurückhaben wollten. Das war ein magischer Moment, wie ich ihn noch nie erlebt habe.

Ach, da war ja noch was. 30 (bzw.31) Jahre 4630 Bochum. Das Albumjubiläum kam natürlich nicht zu kurz. Amerika und Für dich da schlossen sich den eh immer gesetzten Liedern wie Männer, Alkohol und dem Mambo an. Fehlte nur noch Jetzt oder nie. Aber die Menge erwies sich hier textlich nicht besonders fit, dies merkte auch Grönemeyer selber.

„Es ist so schön Zuhause zu sein“, stammelte der sichtlich ergriffene Künstler immer wieder  und bedankte sich hundertfach, wenn die 30.000 ihn wieder minutenlang einfach nur beklatschen und „Oh wie ist das schön“-Gesänge durchs Stadionrund hallten. Bei Morgen, diesem schlichten und doch melodisch so wunderschönen Liebeslied, erstrahlen Tausende Handylichter die Dunkelheit. Technik kann so schön sein! Spätestens bei Land unter war es dann vollends um mich geschehen. „Steig zu mir an Bord – Rette mich durch den Sturm“. Allein für dieses Lied lohnt sich ein Grönemeyer-Konzert.

Es war schon lange dunkel und die ersten ungeübten Konzertbesucher machten sich bereits auf den Heimweg (Grönemeyer kommt immer dreimal wieder), da erklangen vertraute Keyboardklänge zum zweiten Mal. Dieses Mal ohne das Steigerlied und strophenweise ohne die Stimme des Künstler sang das Stadion Bochum mit einer solchen Inbrunst und einem solchen Stolz, dass Grönemeyer am Ende die Tränen in den Augen standen. Was muss das für ein Gefühl sein, wenn so viele Menschen deine Zeilen singen? Kann man sich jemals daran gewöhnen?

Um die Currywurst ließ er sich nicht lange bitten und für die Opelander gab es noch Kadett, ein Lied älter als ich. Aber soo passend für diesen beschwingten Abend.

So ein Konzert kann natürlich nicht enden wie ein normales Konzert. Das war allen Verantwortlichen wohl auch im Vorfeld schon klar. Und so erfüllte während des genialen Remixes von Fang mich an ein bombastisches Feuerwerk den Himmel über dem Stadion. Davon waren alle so in den Bann gezogen, dass der Künstler unter einem zwischenzeitlichen Aufmerksamkeitsentzug litt und spaßeshalber rief „Ihr sollte hierhin schauen“.

Aber entlassen wollte Grönemeyer seine Bochumer damit noch nicht und schickte noch das Abendlied Der Mond ist aufgegangen hinterher. Wäre nicht das Stadionlicht angegangen, der Sänger und das Publikum hätten noch stundenlang weitergesungen. Grönemeyer konnte sich einfach nicht trennen von seinem Publikum. Während die Massen schon zu den Ausgängen strömten, kam er noch einmal im dunkelblauen Bademantel auf die Bühne und winkte allen zum Abschied.

Danke, für diesen magischen Abend, er bleibt bei mir. Bis zum nächsten Mal, hier in Bochum.

Setlist

1. Unter Tage
2. Wunderbare Leere
3. Fang mich an
4. Unser Land
5. Uniform
6. Steigerlied/Bochum
7. Schiffsverkehr
8. Stück vom himmel
9. Männer
10. Was soll das
11. Vollmond
12. Neuer Tag
13. Flugzeuge im Bauch
14. Der Weg
15. Roter Mond
16. Für dich da
17. Amerika
18. Musik, nur wenn sie laut ist
19. Mensch
20. Alkohol
21. Bleibt alles anders
22. Morgen
23. Kinder an die Macht
24. Zeit, dass sich was dreht
25. Currywurst
26. Kadett
27. Land unter
28. Demo (letzter Tag)
29. Mambo
30. Bochum
31. Halt mich
32. Feuerlicht
33. Fang mich an (Remix)
34. Der Mond ist aufgegangen

 

 

„Wie lange geht die Stunde noch?“

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Die oben gestellte Frage höre ich in meinem Alltag als Lehrkraft mindestens einmal pro Tag. In der Regel ignoriere ich diese Unterrichtsstörung. In der letzten Zeit führe ich aber ein kleines Experiment durch und verweise den Fragesteller auf die analoge Uhr, die in jedem Klassenzimmer direkt über der Tafel hängt. „Was meinst du denn?“, lautet dann meine Gegenfrage. Viel zu oft erhalte ich dann leider nur ein Gestammel wie „Ähm…also….öh…“.Zum Glück sagt einer der Mitschüler meist die richtige Minutenanzahl vor, so dass der Stammler nicht weiter in Verlegenheit gebracht wird.

Uhr_BlogAls mir dieses Phänomen zum ersten Mal auffiel, dachte ich die Kinder kennen nicht die Zeiten wann eine Unterrichtsstunde beginnt oder endet. Dies mag zum Teil auch der Fall sein. Auch ich muss manchmal kurz überlegen, ob die vierte Stunde nun um zwanzig oder fünfzehn Minuten vor elf endet.

Aber der wahre Grund traf mich mit voller Wucht: Die meisten Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 5-7 an meiner REALSCHULE können die Uhr nicht lesen! Sie stehen vor einer analogen Uhr wie ich vor einem Chemiebaukasten. Vollkommen ahnungslos.

Im Einzelunterricht – damit niemand vorgeführt wird – habe ich seither mit einem Dutzend Schülerinnen und Schülern die Uhr gelernt. Die vollen Stunden zu erkennen und zu bennen ist nicht das Problem. Aber wo stehen die Zeiger noch einmal bei „halb zwei“ oder was bedeutet überhaupt „Viertel vor“? Wie viele Minuten dauert es von fünf vor halb sieben bis zur vollen Stunde?

Während dieser Zeit habe ich aber auch angefragen meine Ansprüche zu hinterfragen. Müssen Kinder und Jugendliche die analoge Uhr heutzutage überhaupt noch lesen können? Auf dem Smartphone, dem PC und dem Tablet wird überall nur die digitale Uhrzeit angezeigt. Reicht das nicht vollkommen aus? Kann ich mir meinen Einsatz sparen? Sie wissen ja was 11:45 bedeutet und können mir auch sagen, dass es nur noch 15 Minuten bis zwölf Uhr ist. Wen kümmert dann schon der Ausdruck „Viertel vor“.

 

 

Verliebt in Dortmund

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Boah, jetzt wohne ich schon ein halbes Jahr in dieser tollen Stadt. Ich fühle mich wohl, pudelwohl, supergeilwohl!

Dabei hätte ich mir das bis vor einem Jahr niemals träumen lassen. Dortmund… Für mich als Jugendliche aus dem Sauerland verband ich mit dieser Ruhrgebietsmetropole in den frühen 2000er Jahren als das, was das Stadtleben an Negativem zu bieten hat. Einen abgrundtief hässlichen Bahnhof, eine vollkommen überfüllte Innenstadt, pöbelnde Fußballfans, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit. Dieser Eindruck hatte sich durch samstagliche Stippvisiten in mein Hirn gebrannt. Dazu noch der Running-Gag zwischen meinen Schwestern und mir, dass eine von uns mal – vom Mann verlassen und mit vier Blagen am Hals – in Aplerbeck-Süd landen werde.

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Gut, dass das Stadtleben nicht so schlimm ist, wie ich es als Jugendliche befürchtete, habe ich hier schon beschrieben. Nach Jahren in Hessen, zog es mich des Jobs wegen vor eineinhalb Jahren wieder nach NRW. Genauer nach Herne. Wanne. Wanne-Eickel. Schon dort habe ich den besondern Charme des Ruhrgebiets und der Menschen hier im Pott spüren dürfen. Direkt, aber herzlich.

Im Oktober vergangenen Jahres aber zog es mich der Liebe wegen nach Dortmund. Die größte Stadt im Pott. Fußballhauptstadt.

Pöbelnde Fußballfans. Iwo, die gibt es zwar immer noch, aber nichts ist schöner als dieses Kribbeln in der gesamten Stadt, wenn der BVB ein Heimspiel hat. Die Innenstadt in Gelb-Schwarz getaucht. Alles zusammen leicht euphorisch. Diese totale und bedingungslose Identifikation mit dem Verein ist schon enorm… und ansteckend!!

Eine überfüllte Fußgängerzone. Ja, die nervt mich immer noch. Aber gleichzeitig freut es mich, dass die Stadt so beliebt bei Einkäufern aus nah und fern.

Nun, der Bahnhof ist immer noch hässlich. Und nicht durchgängig barrierefrei. Eigentlich unfassbar. Aber dennoch ist er für mich persönlich der zentralste Ort der Stadt. Vom Bahnsteig aus das „U“ zu sehen, das ist für mich „nach Hause“ kommen.

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Dortmund hat Probleme. Einen Haufen Probleme. Es die deutsche Großstadt mit dem größten Armutsrisiko. Die Arbeitslosigkeit ist höher als in Gelsenkirchen. Gleichzeitig gibt es ein großes Gefälle innerhalb der Stadt. In der Nordstadt gibt es Ecken, an denen ich mich als Frau auch tagsüber nicht besonders sicher fühle. In Dorstfeld hocken dumpfe Nazis.

Aber gleichzeitig hat die Stadt so viel zu bieten. Es gibt viele Kulturangebote jeglicher Art, Aufbruchsgefühle durch junge (und alte) Kreative wie z.B. im Unionsviertel. Eine Vielzahl von Menschen, die sich – unterstützt durch die Stadt – gegen Nazis auflehnen und ihnen klar machen, dass sie hier –  in diesem Schmelztiegel der Kulturen – unerwünscht sind.

Grüne Oasen innerhalb der Innenstadt bieten einem schnell Momente der Ruhe, wenn die überfüllte Innenstadt wieder nervt. Der Fredenbaumpark ist schon jetzt zu meinem zweiten Zuhause geworden.

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Ich bin glücklich in dieser Stadt. Und, ich habe das Gefühl endlich angekommen zu sein. Inwieweit das alles an der riesigen rosaroten Brille liegt, die ich seit einem Jahr trage, kann ich nicht sagen. Ich sag nur: Kerr, wat is dat schön hier!

„Ein bisschen Spass muss sein“

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Man könnte meinen, der Untergang des Abendlandes stehe unmittelbar bevor. Zumindest wenn man der größten meinungsmachenden „Zeitung“ unserer Republik glaubt. Ein alter Mann mit blonden Haaren und Sonnenbrille bringt ein neues Album auf dem Markt und alle Kollegen der deutschsprachigen Rock-und Popszene laufen Sturm, da der Mann, der schon die schwarzbraune Haselnuss besang, sich jetzt an erfolgreiche Werke der deutschen Rockgeschichte wagt und sie nach eigenem Gutdünken interpretiert. Wie so oft wird aber nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Inwiefern die ganze PR-Aktion von Heino selbst bzw. dessen Managment oder aber der B***-Zeitung hochstilisiert wurde, ist zwar eine interessante Frage, kann aber an dieser Stelle nicht geklärt werden. So oder so, es ist eine gelungene Aktion.

Aber wie ist denn nun das Album mit dem vielsagenden Titel „Mit freundlichen Grüßen“? Heino eröffnet das Album mit „Junge“, einem erfolgreichen Lied der Berliner Punkband „Die Ärzte“. Schon hier muss man schmunzeln, wenn Heino, den man sich gut in einer spießigen und akkuraten Nachbarschaft in Bad Münstereifel vorstellen kann, diesen Rebellions-Song, begleitet vonTompreten, in seinem urrrrr-eigenen Still vorträgt.

Seinem Gesangstil bleibt Heino über die gesamten Platte hinweg treu. Selbst bei Hiphop-Liedern, kann Heino nicht aus seiner Haut. Das titelgebende „MFG“ von den Fantastischen Vier aus seinem Mund, ist schon ein ganz besonderer Ohrenschmaus. Gleiches gilt für „Liebes Lied“ von den Beginnern.

Rammsteins „Sonne“ klingt aus Heinos Mund fast noch unheimlicher als in der ureigenen Interpretation der düsteren Rocker.

Insgesamt ist die Platte musikalisch kein Hochgenuss. Manche Lieder scheinen ausschließlich am Keybord, ohne den Einsatz weiterer Instrumente, entstanden zu sein, was der Platte zum Teil einen „billig produzierten“ Touch verleiht. Aber Heinos Stimme macht das alles wieder wett.

Ich hoffe, dass Heino beim Aufnehmen mindestens genauso viel gelacht hat, wie ich beim Anhören. Denn, wie schon ein Kollege von Heino vor Jahren sang: „Ein bisschen Spass muss sein!“

Dieses Album ist vieles, aber bestimmt kein Aufreger. 🙂

Es ist erst Halbzeit. Zum Glück!

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„Zusammen mit dir können die Tomaten ruhig fliegen, können mir die Massen zu Füßen liegen. Zusammen mit dir ist mir alles total egal!“. Dreißig Jahre alt sind diese Zeilen. Zu finden sind sie auf Grönemeyers drittem Album Total egal. Ein Album, das nur mäßig erfolgreich war, ebenso die dazugehörige Tour. „Auf der Tournee waren damals ungefähr 75 Leute, in Berlin nur zwei.“ So erzählt Grönemeyer auf der Jubiläumstour seinem treuen Publikum rückblickend von seinen Anfängen.

Die aktuelle Tour führt den größten deutschen Rocksänger ausschließlich durch kleine Locations. Unter anderem den Zirkus Krone in München, die Hugenottenhalle in Neu-Isenburg, das Kölner E-Werk und die Westfalenhalle 2 in Dortmund. Wer eine Karte abbekommen hat, kann sich glücklich schätzen. Innerhalb kürzester Zeit waren die meisten Orte ausverkauft. Das mag auch daran liegen, dass es sich dieses Mal um keine gewöhnliche Grönemeyer-Tour handelt. Zum dreißigjährigen Bühnenjubiläum präsentiert „Herbie“ ausschließlich Songs, die in den letzten Jahren bis Jahrzehnten kaum live gespielt wurden. Eine B-Seiten Tour. Nichts für den Gelegenheits-Grönemeyer-Hörer.

Diesem Konzept wird der Meister während der knapp 2 1/2 stündigen Show konsequent treu bleiben. Kein Männer, kein Alkohol, kein Flugzeuge im Bauch, kein Halt mich und erst recht kein Mensch.

Stattdessen steigen Grönemeyer und Band mit dem kraftvollen Fisch im Netz von der 1993er Platte Chaos ein. Dem folgt der Trennungssong Deine Liebe klebt. Ein Einstand nach Maß, das Publikum ist textsicher und tobt!

Was dann folgt, ist für einen Hardcore-Fan wie mich, eigentlich nicht mehr in Worte zu fassen. Ich dreh mich um dich, diese wunderschöne Ballade. Kann man Liebe eigentlich noch treffender formulieren? Direkt darauf Komet! Ein Lied zur Geburt seines Sohnes aus dem Jahr 1988 mit Zeilen wie: „Wenn Trauerwolken dich bedrohn, Schieb ich sie beiseite.
Geh jeden schweren Schritt mit dir, werd dich immer begleiten.
Wisch staub auf deiner Seele.“

Spätestens bei dem traurigsten aller Grönemeyerlieder Letzte Version, stehe ich da, in Tränen aufgelöst. Dass ich dieses, mein Lieblingslied, jemals live hören würde, hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht mehr zu hoffen gewagt. Hatte Grönemeyer doch selber einmal gesagt, dass es ein Lied sei, welches er wohl nie wieder auf der Bühne spielen könne. „Küss mich, und lass mich allein.“

Wie auch auf den Stadienkonzerten gelingt Grönemeyer und seiner Band das Wechselspiel zwischen gefühlvollen Ballden und rockigen Songs aus drei Jahrzehnten  meisterhaft (Bist du taub, Kafen, Für dich da, Jetzt oder nie, Morgenrot). Dazwischen noch eine Prise Moccaaugen und Selbstmitleid. Doch, der Mann hat Humor. Das wird auch bei seinen Ansagen immer wieder deutlich. Es macht einfach Spaß zu sehen, wie locker und entspannt Grönemeyer auf dieser Tour ist. Er plaudert aus dem Nähkästchen, albert rum. Geht gleichzeitig immer wieder auf Zwischenrufe ein, sammelt Briefe ein, verteilt Gummibärchen.

In Dortmund gibt er dann sogar noch die Currywurst zum besten. Obwohl er vorher verlauten ließ, dass man diese Lied garantiert NICHT spielen werde. Aber wo, wenn nicht im Pott? In Köln gibt es dafür Unterwegs. Noch so eine Perle, die mir die Tränen in die Augen treibt.

Den Abschluss bildet Heimat. Treue Leser diese Blogs wissen um die Bedeutung des Songs für mich. Zwar geht es thematisch um das Zusammenwachsen unserer Republik, aber die Refrainzeile Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl lässt wohl niemanden kalt.

Es waren zwei unglaublich schöne Abende mit vielen Überraschungen, einer – wie immer – brillianten Band, einem aufmerksamen Publikum. Gut, dass erst Halbzeit ist. Ich freue mich auf die nächsten 30 Jahre. Was auch immer kommen mag.

Der perfekte Wallander

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Aus keinem aktuellen Anlass, einfach weil ich gerade mal wieder einen  Wallander gelesen habe, stellt sich mir die Frage: „Welcher Schauspieler verkörpert den schwedischen Kommissar aus Mankells Feder denn eigentlich am besten?“

Eine Frage, die außer mir wahrscheinlich niemanden sonderlich interessiert, aber ich thematisiere sie dennoch an dieser Stelle. Ich gehöre nämlich zu den wenigen Wallander-Fans, die nicht von den Bücher zu den Verfilmungen gekommen sind, sondern den umgekehrten Weg genommen haben.

Im zarten Alter von 17 Jahren habe ich gemeinsam mit meiner krimibegeisterten Mutter eines schönen Sonntagabends im Winter den Mehrteiler „Die fünfte Frau“ in meinem heiß und innig geliebten ZDF schauen dürfen. Dabei ging es meiner Mutter wohl weniger darum, mir das skandinavische Krimigenre näher zu bringen, als vielmehr darum, zu nachtschlafender Zeit nicht alleine einen nervenzerreißenden Thriller anschauen zu müssen.

Groß, leicht übergewichtig, blond, mürrisch, melancholisch verletzlich. So kam der Film-Wallander der späten 1990er und frühen 2000er Jahre daher. Meisterhaft verkörpert durch den schwedischen Schauspieler Rolf Lassgård. Ein Mann wie ein Baum. Mit einer Leinwandpräsenz, die nicht nur in den Wallander-Verfilmungen ihresgleichen sucht. Er zeigte uns den Ystadter Kommissar mit seinen unzähligen Schwächen und (nur auf den ersten Blick) wenigen Stärken. Nicht selten unausstehlich und unsympathisch, egoistisch und eigenbrötlerisch. Eingebettet in die scheinbar endlosen schonischen Felder und Wälder, schilderten die Drehbücher das mörderische Treiben rund um Ystad. Manchmal etwas experimentell in der Kameraführung (Die falsche Fährte) und übertrieben in der Darstellung des Privatlebens des Kommissars, lieferte Rolf Lassgård in den 8 Verfilmungen eine einzigartige Performance. Mit diesen Bildern im Kopf las ich die Bücher und konnte mir niemand anderes als Lassgård in der Rolle des Kommissars vorstellen.

Und dann das. Ein anderer schwedischer Schauspieler tauchte plötzlich in der ARD ebenfalls in der Rolle des Wallander auf. Krister Henriksson, fast schlank, braunhaarig, klein. Das sollte Kurt Wallander sein? Niemals. Hoch anzurechnen ist der schwedischen Produktionsfirma, dass Krister Henriksson  gar nicht wirklich in Konkurrenz zu Rolf Lassgård treten musste. Denn dieses Mal wurden nicht die bekannten und veröffentlichten Krimis von Henning Mankell verfilmt, sondern andere unveröffentlichte Geschichten des Autors als Vorlage verwendet. Auch er, wie Lassgård, ein populäres schwedisches Gesicht und ein Mime mit langjähriger Theatererfahrung. Richtig warm geworden bin ich mit Henrikssons Wallander nie. Ob es nun an dessen Darstellung oder an den Drehbüchern lag, ist mir nie bis jetzt noch nicht klar geworden. Positiv hervorzuheben ist aber, dass die Nebenrollen in diesen Verfilmungen an Bedeutung gewonnen haben. Mit der dritten und letzten Staffel, die derzeit gedreht wird, gebe ich Henriksson auf jeden Fall noch einmal eine neue Chance.

Tja, dann bleibt nur noch einer übrig. Meist sind es ja die Amerikaner, die ihre Finger nicht von einem guten Stoff lassen können und meinen, diesen trotz bestehender exzellenter Originalfilme, noch einmal in Hollywood-Popcorn-Kino-Format verfilmen zu müssen. Siehe Millenium-Triologie. Aber im Fall des Wallanders kam kein amerikanisches Studio auf diese Idee, sondern die britische BBC. Mit Kenneth Branagh in der Hauptrolle. Was? Kenneth Branagh? Der Shakespeare-Mime und Olivier-Nachfolger soll einen schwedischen Kommissar spielen? In Schweden, auf Englisch? Das kann doch nur schiefgehen!! Dachte ich in meiner überheblichen Lassgård-Verehrung.

Aber wie so oft: Erst gucken, dann urteilen. Was die BBC und Kenneth Branagh da seit 2009 in mittlerweile neun Filmen gedreht und produziert haben, ist allerbeste Unterhaltung. Auch wenn hier wieder auf die Orginalkrimis von Mankell zurückgegriffen wird, kopiert Branagh zu keinem Zeitpunkt Lassgård. Er erfindet Wallander neu, lässt ihn körperlich, aber vor allem seelisch furchtbar leiden, an die Grenzen der Belastbarkeit gehen und gönnt ihm keine Ruhe. Besonders die ersten drei Filme (Mittsommermord, Die Brandmauer und Die falsche Fährte) sind moderne Krimis auf einem Spitzennieveau, wie sie im Moment wohl nur die BBC zustande bringt. Und, dass Branagh einfach – ebenso wie seinen schwedischen Kollegen – ein Schauspieler mit unglaublichen Fähigkeiten ist, muss dem Kenner nicht extra mitgeteilt werden. Er hat längst nicht die Statur und Dominanz wie Lassgård, aber durch seine Feinfühligkeit, macht er diesen Umstand mehr als wett.

Wer ist denn nun der Beste? Ich kann es nicht abschließend beurteilen. Lassgård und Branagh sind – jeder für seine Zeit – die perfekte Besetzung. Diese starke Figur, die Mankell da über die Jahre entwickelt hat, benötigt einen starken Schauspieler, der es mit ihr aufnehmen kann. Dieses Kriterium erfüllen alle drei Künstler. Jeder auf seine Art. Schaut sie euch an und versucht, euch selbst ein Urteil zu bilden. Ich kann es nicht.

Goodbye Sauerland, Hello Ruhrgebiet

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Liebes Sauerland: Ich bin dann mal wech. Leider. Und vor allem: Schon wieder.

Erst musste ich dich für ein jahrelanges Studium verlassen, habe dort das Leben in der Stadt schätzen und lieben gelernt, dich aber nie aufgegeben. Du warst mein Anker, wenn die städtischen Wellen und die Menschenmassen über mich hereinbrachen und ich zu ertrinken drohte. Du hast mich immer wieder auf den Boden der berühmten Tatsachen gebracht, wenn ich drohte abzuheben, nur weil ich ausnahmsweise mal einen Habermas’schen Satz verstanden hatte.

Dann durfte ich in diesem Jahr für ein paar Wochen – ach es waren sogar Monate – in deinen Schoss zurückkehren. Du hast mich aufgenommen, als sei ich nie weggewesen. Hast mich umsorgt und behütet, mich einen wunderschönen Sommer erleben lassen.

Nun zieht es mich wieder hinaus. Der Ernst des Lebens, jetzt beginnt er wirklich. Im Pott! Jawohl, mitten im wunderschönen Ruhrgebiet. So sehr der Abschied auch schmerzt, so sehr freue ich mich auf diesen neuen Abschnitt in meinem Leben.

Ein kleiner Traum geht in Erfüllung. Wenn schon nicht Berlin, dann wenigstens das Ruhrgebiet. Das habe ich mir in den vergangenen Jahren oft gesagt. Nach den ersten Tagen in der Metropole Ruhr habe ich sogar das Gefühl, dass ich es besser getroffen habe als in der Millionenstadt Berlin. Hier fliegen wenigstens alle Flugzeuge…

Aber das Beste: Meine Heimat, mein Sauerland, ist nur eine Autostunde entfernt! Von daher bin ich gar nicht wirklich wech, sondern nur nich immer da, woll?!

Ein großes Buch – Bierbichlers Mittelreich

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„Ein Buch, ein Buch! Mein Königreich für ein gutes Buch!!“ Dieses leicht abgewandelte Zitat von König Richard III. aus Shakespeares Feder rief ich wenige Tage nach dem Ende meines Studiums. Übersättigt von wissenschaftlichen Aufsätzen und Sachbüchern, schrie mein Hirn verzweifelt nach Nahrung, nach Fiktion und Unterhaltung. Nur, was sollte ich lesen?

In weiser Voraussicht, dass ich mir diese Frage irgendwann einmal wieder stellen würde, hatte ich mir bereits im letzten Herbst eine ellenlange Leseliste erstellt, die ich in den nächsten Jahren (oder eher: Jahrzehnten) abzuarbeiten gedenke und fortlaufend ergänze.

Ganz oben auf der Liste steht der Roman „Mittelreich“ von Josef Bierbichler. Erschienen im letzten Herbst im Suhrkamp-Verlag, hochgelobt und erst der zweite Roman des 64-jährigen Autors, war es mein großer Wunsch, dieses Buch endlich, endlich lesen zu können. In Ruhe, wohlverdient, hoch konzentriert.

Meine Erwartungen und Ansprüche an dieses Buch waren enorm. Zum einen bedingt durch die Rezensionen in FAZ und Co. Vor allem aber durch die Person des Autors, Sepp Bierbichler. Dieser einzigartige deutsche Film- und Theaterschauspieler, dessen Aura und Präsenz mich schon in so vielen Stücken gefesselt hat.

Und, was soll ich sagen. Meine Erwartungen sind vollkommen erfüllt und sogar noch weit übertroffen worden. „Mittelreich“ ist ein Buch, das ich bedingungslos weiterempfehle, ja, ich dränge euch dazu, es zu lesen. Die Kraft und Wucht, die der Autor auf der Bühne und im Film aufbringt, steckt auch in jedem einzelnen Satz dieses großen Romans.

Worum geht es?
Über drei Generationen hinweg wird die Geschichte einer Bauers- und Seewirtsfamilie im tiefsten Bayern vor dem ersten großen Krieg bis zur Gegenwart erzählt. Bierbichler verwebt die Lebensläufe der Protagonisten überaus gekonnt mit der deutschen Vergangenheit, den Kriegen und Untergängen, der Verdrängung des Gewesenen und dem (vermeintlichen) Aufstieg im Wirtschaftswunderland.

Gefesselt an das Erbe und an die Pflichten, die der Besitz mit sich bringt, kämpfen sich der Seewirt und seine Nachkommen durch das bayerische Leben. Sie zerbrechen an den Zwängen, der Prüderie und der Bigotterie im Dorfleben, das nur aufgemischt und gespiegelt wird durch die „nackerten“ Touristen aus der Stadt. Diese bringen zwar Geld in das arme Bauerndorf im Voralpenland, müssen aber achtgeben, dass sie nicht von wütenden Grundbesitzern mit Jauche eingesprüht werden.

Der Autor kennt dieses Milieu aus eigener Erfahrung. Er ist selber der Sohn eines Seewirts. Er scheint sich nicht entscheiden zu können, ob er diesen Menschenschlag liebt oder hasst. Seine Sprache ist kunstvoll und gleichzeitig dialektreich, er beschreibt seine Figuren nicht selten liebevoll und lässt sie dann doch wieder vollends scheitern. Aber vermutlich ist das keine Unentschlossenheit, sondern die einzige Möglichkeit des Jungen vom Dorf, jetzt, im Alter mit viel Lebenserfahrung und Distanz, über das zu schreiben, was sich so oder ähnlich in vielen deutschen Dörfer abgespielt hat. „Die Erde ist keine Heimat“.

Ein großer Autor, ein großer Roman, ein großes Buch.

Josef Bierbichler: Mittelreich (Suhrkamp), 392 Seiten

10 kleine CDU-Männer

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10 kleine CDU-Männer wollten mal was werden, da ließ Mutti  den Friedrich politisch einfach sterb…ähh beerben.

9 kleine CDU-Männer sprachen gerne laut, da hat Mutti den Günther Oettinger böse angeschaut.

8 kleine CDU-Männer wollten gerne schlau sein, da hatte der Karl-Theodor einfach nicht genug Schwein.

7 kleine CDU-Männer wollten hoch hinaus, da ging dem Hessen Roland bald die Puste aus.

6 kleine CDU-Männer wollten ehrlich reden, das ging bei dem Horst Köhler ordentlich daneben.

5 kleine CDU-Männer wollten Schule machen, dem Ole verging darüber irgendwann das Lachen.

4 kleine CDU-Männer wollten doch nur glücklich werden, doch Christian von Boetticher hörte auf zu werben.

3 kleine CDU-Männer konnten es mit den Medien, nur der kleine Christian ist jetzt in den Ferien.

2 kleine CDU-Männer versuchten es mit den Wahlen, der Nobby leidet jetzt schlimme Höllenqualen.

1 kleiner CSU-Mann blieb am End‘ allein, aber so schnell fängt der Horst doch nicht an zu wein’n.